SPIELART hat zehn KünstlerInnen und Gruppierungen aus den Bereichen der Performing Arts, Visual Arts und Architektur eingeladen, ihre Sichtweisen und Reflexionen zum Leben in der Metropole in Form von Installationen oder Performances darzustellen. Entlang der zentralen Spielorte des Festivals errichtet SPIELART zehn Container-Gebäude, die von Künstlerinnen und Künstlern aus acht Ländern bevölkert, inszeniert und bespielt werden. Geplant ist ein facettenreiches Programm mit Installationen, punktuellen oder permanenten Performances, Interventionen und Diskursen. Moderierte Führungen werden täglich um 17 Uhr angeboten. Der Eintritt ist frei.
01 | Anna Konjetzky (München)
MOVING MUNICH
Eine Annäherung an die öffentlich-private Stadt
Schnittstellen von öffentlichen protestierenden Äußerungen werden als Mosaikstückchen täglich neu zusammengesetzt, beleuchtet und verdreht – ein München-mapping von Stadtteil zu Stadtteil.
Wofür oder wogegen würden Münchner Bürgerinnen und Bürger heute auf die Straße gehen, um für ihre Belange öffentlich einzutreten? Dieser Frage geht Anna Konjetzky in verschiedenen Stadtteilen nach und entwickelt aus den Ergebnissen ihrer Recherchen und aus den Aussagen der Befragten choreografierte Demos in den jeweiligen Bezirken. Eine Gruppe von Menschen protestiert täglich für die Bewohner eines bestimmten Bezirks. Dokumente der Aktionen werden im Container des CITYWORKS-Parcours präsentiert. Auf diese Weise entsteht eine Ausstellung, die sich während des Festivals permanent verändert.
02 | Dictaphone Group (Beirut)
STORIES OF REFUGE
In den frühen 1960er Jahren strömten Arbeitsmigranten aus aller Welt nach München, um von dort aus als „Zuwanderer“ an den nächsten unbekannten Bestimmungsort gebracht zu werden. Das Ziel ihrer Reise legten nicht sie fest. Familien wurden auseinander gerissen, ihr neuer Aufenthaltsort war oft nur ein Übergangslager, wo Gesundheitschecks und Verhaltenstests durchgeführt wurden. Erst dann kam die Fabrik und damit der Beginn ihres neuen Lebens.
Seit dem Ausbruch der Revolution 2011 versuchen Flüchtlinge dem grausamen Regime Syriens zu entkommen und eine neue Heimat zu finden. München ist eines ihrer Ziele. Viele Asylsuchende erreichen die Stadt auf dem Landweg, auf illegalen Routen über die „grünen“ Grenzen mehrerer europäischer Länder. Die Dictaphone Group kooperiert mit einer Gruppe syrischer Flüchtlinge, die sich seit kurzem in München aufhält. Jeder von ihnen wird einen Tag lang eine Kamera bekommen, um den eigenen Alltag und die Lieblingsaufenthaltsorte in der Stadt zu filmen. Aus den Aufzeichnungen soll eine gemeinsame Video- und Soundproduktion entstehen, die anschließend an einem urbanen Ort, in einem zu einer Gefängniszelle umgebauten Container in München gezeigt wird.
3 | Levent Kunt (Frankfurt)
LE SPECTACLE
Mit Sandra Juds (Damenkapelle), Percussion
Auf seinen Streifzügen durch München sammelt Levent Kunt weggeworfene, ausrangierte Dinge, um sie in einen Wertgegenstand in Form eines Kunstwerkes zu verwandeln. Am Ende des Recyclingprozesses wird ein Schlagzeug der besonderen Art stehen. Das Schlagzeug wird am Eröffnungstag und dann jeweils um 17:00 Uhr am 20., 21., 22., 27., 28., 29. und 30. November von der Drummerin Sandra Juds von der Band Damenkapelle gespielt. Außerhalb dieser Zeiten wird der Ton via Kopfhörer eingespielt.
04 | Tracing Spaces
(Michael Hieslmair, Carolin Hirschfeldt und Michael Zinganel, et.al.) (Wien/München)
PUSH AND PULL
Jede „Stadt“ ist Teil eines von unterschiedlichsten transnationalen Bezügen geprägten Netzwerks mit spezifischen Zonen, die den Austausch zwischen ihr selbst und dem Rest der Welt modulieren. An diesen Knotenpunkten werden die Effekte von Wanderungsbewegungen und dem globalisierten Austausch von Waren und Dienstleistungen sichtbar, hier zeichnen sich politische Veränderungen – auch anderer Regionen – unmittelbar ab. In offenen Workshops zeichnen wir die individuellen Reise- und Migrationserfahrungen der Teilnehmer_innen nach und erstellen auf der Innen- und Außenhülle des Containers jeweils eine geografisch und räumlich weit ausgreifende Kartografie, einen begehbaren Globus mit Ecken und Kanten, von einem Wegenetz durchdrungen, in dessen Zentrum München steckt.
PUSH AND PULL richtet sich zum einen an in München lebende Akteure, die sich aufgrund ihrer Profession mit der städtischen Entwicklung und damit verbundenen transnationalen Bezügen in München auseinandersetzen. Zum anderen werden „Laien“ gebeten, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen, die sie als Zugewanderte oder in ihrem (Berufs-)Alltag gemacht haben.
05 | Julian Hetzel (Amsterdam)
THE INDUSTRY OF WAITING
Warten ist eine besondere Form des Seins in der Zeit. Es ist das Niemandsland zwischen Denken und Handeln. Ein Zeitraum in dem der Wartende irgendwo zwischen „nicht mehr” und „noch nicht” schwebt. Warten ist rasender Stillstand. Innerhalb Arbeitswelt, die sekundengenau abrechnet und einem Finanzsystem an dessen Kapitalmärkten Transaktionen in Millisekunden getätigt werden, gibt es keine Zeit zu verlieren. Und obwohl Zeit jedem Menschen in Gleichem Maße als Ressource zur Verfügung steht, ist sie ein rares und handelbares Gut geworden. Heute ist es Luxus Zeit zu haben. Zeit um liegen zu bleiben, Zeit um stehen zu bleiben… Zeit ist zentraler Parameter jeglicher Form von Arbeit. In einer von Prozessoptimierern auf Effizienz und Produktivität getrimmten Welt, hat sich Julian Hetzel auf die Suche nach Formen von Arbeit gemacht, die Warten, also das Nichtstun als Inhalt haben. Mit INDUSTRY OF WAITING hinterfragt er das System von Arbeit und das von Kunst, indem er eine Gruppe Obdachloser beschäftigt und „stilles Betteln” zur Performance macht.
06 | Márcia Lança (Lissabon) in Zusammenarbeit mit Ana Rita Teodoro
9 POSSIBLE PORTRAITS
9 POSSIBLE PORTRAITS besteht aus neun Darstellungen, die Schnipsel der eigenen persönlichen Erfahrung in neun verschiedenen europäischen Städten sind. Wenn ich „persönliche Erfahrung" sage, meine ich meine persönlichen Eindrücke im Rahmen der konstruierten Perspektiven der Realität, mit der ich im Laufe des Projekts „Global City - Local City" in Berührung kam. Durch die Verwendung des Wortes „möglich" im Titel, auch als praktische Übung, will ich von der Konstruktion einer Stadt weggehen, die auf Totalisierung und Gleichmacherei beruht. Ich möchte von der Vorstellung der Gleichförmigkeit Abstand nehmen. Ich möchte damit aussagen, dass im Laufe des dramaturgischen Prozesses mehrfach eine künstlerische Auswahl getroffen wurde, die zu einem unter vielen möglichen Porträts einer Städteerfahrung führte. Was den Prozess betrifft, sollte ich hinzufügen, dass diese Arbeit durch Extrahieren und Auswahl entstand - in meinen Augen eine Art künstlerische Archäologie -, bei der ich Einiges aus seinem Kontext nehme und bearbeite, neue Situationen schaffe, die eine andere Bedeutung haben und andere Gefühle erwecken.
Täglich werden bei SPIELART neun Städtekurzporträts, die aus meiner Interpretation und Umwandlung der Informationen hervorgehen, in einer intimen Umgebung gezeigt. Insgesamt finden während des SPIELART Festivals 126 Vorstellungen in einem der Container statt. (Márcia Lança)
07 | son:DA (Maribor)
SITUATION WITH MOUSE–COMPUTER DRAWING
Zwei Kräfte wirken in son:Da Projekten: zum einen kommentieren sie unmittelbar und bissig die negativen Konsequenzen der High-Tech-Gesellschaft für das Individuum, zum anderen spielen sie mit der Technik selbst. Einmal werden mit traditionellen Medien (wenngleich per Computer) Bilder generiert, die sich problemlos vom Kunstmarkt aneignen und zur Ware machen lassen. Dann wiederum arbeiten son:DA mit der Idee des offenen Werks, des Unvollkommenen und Kommunikativen und bewegen sich damit bewusst in einem nur vage bestimmbaren Kontext. Das schafft ein schizophrenes Oszillieren zwischen Bild und Raum, zwischen Objekt und Prozess, zwischen dem Statischen und dem Dynamischen, zwischen dem Finalen und dem Unvollendeten. Mit ihrer Methode der Darstellung schaffen die son:DA Künstler erfolgreich ein Gleichgewicht zwischen zwei Gegensätzen, mit einer klaren Tendenz zur offenen Struktur, zu Kontakt und Interaktion. Jedoch innerhalb der geschützten Atmosphäre einer ironisch die Technik thematisierende Dystopie, die zugleich als ultimatives Schutzschild gegen die totale und exzessive Connectedness der modernen Welt funktioniert.
08 | Katrina Neiburga (Riga) und Christine Umpfenbach (München)
GARDEN AFFAIRS
Video-Installation, Sound, Vision und Pflanzen
Gärtner sprechen über Gärtnern, Liebe, Familie, Kontrolle, Vergangenheit und Zukunft.
Direkt auf den Punkt gebracht und durch die Blume erzählt.
Die Videokünstlerin aus Lettland, Katrina Neiburga, und die deutsche Künstlerin Christine Umpfenbach setzen ihre Zusammenarbeit fort, die in Riga mit dem dokumentarischen Theaterprojekt LOST GARDENS begonnen hat. Dabei ging es um das Phänomen von Gärntern, die ihre Schrebergärten aufgrund globaler Interessen verloren haben.
In GARDEN AFFAIRS reden lettisch-russische und deutsche Gärtner in einer Video-Installation miteinander. Sie diskutieren über lokale Probleme, entwickeln globale Träume und stellen alltägliche Fragen.
Wie kann man ein Gartenhaus von einer Seite auf die andere umsetzen, wenn Behörden einen zwingen, den Garten aufzugeben?
Sind die Regeln im deutschen Schrebergarten wirklich so streng?
Haben Sie Probleme mit Schnecken, die Ihren Salat essen?
Was ist Ihr Lieblingsrezept mit Gemüse aus dem eigenen Garten?
Kam der erste Weihnachtsbaum wirklich aus Lettland?
Warum lieben deutsche Kleingärtner Gartenzwerge so sehr?
09 | Filip Berte (Gent)
THE GRAVEYARD – CITIES ON THE EDGE
Der bildende Künstler und Architekt Filip Berte durchdringt mit seinem Projekt die geografischen Grenzen Europas und fragt nach den sozialen Begrenzungen heutiger Gemeinschaften. Dafür besuchte er drei Städte am Rande der Europäischen Union: Tiflis (Georgien), Chișinău (Moldawien) und Melilla (spanische Enklave in Marokko), wo er Außenseiter, Heimatlose, Migranten und Flüchtlinge beobachtete. Die vierte Stadt ist Brüssel, wo jene ankommen, die die Randgebiete verließen, um ihr Glück im Zentrum Europas zu versuchen. Als künstlerisches Ziel seiner Arbeit benennt er die Umkehrung der Außenseiterpositionen, Integration zu vermitteln und kreative Wege für das Leben am Rande zu finden. In seinem Container werden vier filmische Porträts der Städte gezeigt, die Berte zusammen mit dem Klangkünstler Ruben Nachtergaele besuchte. Diese persönlichen Porträts werden mit vier audio-lightboxes ergänzt, die inhaltlich an die Filme aus Tiflis, Brüssel, Melilla und Chișinău anknüpfen.
10 | Infocontainer
Treffpunkt für Führungen täglich um 17 Uhr.
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